Als würde die Steppe sich vor unseren Augen ausbreiten

Don-Kosaken-Chor Wanja Hlibka und Saarlouiser Rathauschor sangen im Theater am Ring.

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Saarlouis (et). Zeig mir ein Volk, das mehr Lieder hätte: Beim Gesang der Bäuerin wird der russische Mensch gewickelt, verheiratet und zu Grabe getragen. Als der russische Schriftsteller Nicolai W. Gogol dies 1831 schrieb, muss er Sänger wie den Don Kosaken Chor Wanja Hlibka im Ohr gehabt haben. Die sangen am Sonntag im ausverkauften Theater am Ring ihre alten und ehrbaren Lieder, als würde die Steppe sich vor unseren Augen ausbreiten und in eine unbegrenzte Ferne entgleiten, wie der russische Schriftsteller Ivan Turgenjew den russisch-orthodoxen Kirchengesang und die Volkslieder beschrieb.

Eigentlich war es ein Doppelkonzert, der Rathauschor der Stadt Saarlouis sang auch bestens disponiert, vom Dirigenten Walter Langenfeld punktgenau vorbereitet und mit dem Charisma, das ankommt: Der Rathauschor hat den Bogen raus. Ich bin beeindruckt, äußerte sich bereits zur Pause Besucher Josef Himbert. Kein Rathaus-Chorsänger wird das Urteil stören: Dem choristischen Feuerwerk der 14 Herren aus Väterchen Russland konnte, wollte, durfte keiner widerstehen. Können wir nicht zwei oder drei von denen engagieren?, raunten sich Mitglieder des Rathaus-Ensembles zu.

Unverfälschte Naturstimmen, gewaltiges Klangvolumen, Solisten fürs Opernfach, bedingungslose Frömmigkeit, schwermütigste Trauer, wilde Freude, Scherz und Liebe — dieses Konzert für alle Lebenslagen und Gemütszustände forderte stehende Ovationen. Minimal in den Gesten, gewaltig in den Melodiebögen von den schwärzesten Bässen bis hinauf in die höchsten Tonlagen hörten über 600 Zuhörer Gesang wie aus einer anderen Welt — Unbekanntes und Bekanntes wie die Abendglocken, Zwölf Reiter oder auch Kalinka.

Dann die Zugabe Ich bete an die Macht der Liebe, gemeinsam gesungen von den Don Kosaken und dem Rathauschor Saarlouis, sie wurde zum Moment für die Ewigkeit. Klasse. Ergreifend!, urteilte Rosemarie Franz. Ich mag diese russische Melancholie und hab’ schon zahlreiche Don-Kosaken-Chöre gehört. Dieser war einer der Besseren, sagte Silvia Glade. Tolle Stimmen. Die füllen ja jeden Saal, meinte Edith Jacob. Der Rathauschor hat mich aber auch sehr beeindruckt, ergänzte ihr Mann Bernd. Hein Trapp: Bei manchen Passagen bekam ich richtig Gänsehaut. Man sollte aber nicht vergessen, dass hundertprozentige Profis am Werk waren. So herum betrachtet, haben sich auch die Amateure im Rathauschor toll verkauft.

Quelle: Saarbrücker Zeitung vom 05.11.2003

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