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Ob Satisfaction oder Hänschen klein: Wer Lieder trällert, lebt gesund. Darum fördert jetzt eine Initiative das Singen im Alltag.

Sie wissen nicht mehr, wann Sie zuletzt ein Lied gesungen haben, und wenn Sie das tun sollten, wäre Ihnen das furchtbar peinlich? So geht es den meisten Deutschen, weiß der Musikpsychologe Karl Adamek aus seinen Untersuchungen. Deshalb hat er im vergangen Jahr Il canto del mondo ins Leben gerufen – mit dem (inzwischen verstorbenen) Dirigenten Yehudi Menuhin als Schirmherrn und einem hochkarätig besetzten Beirat. Das Ziel des Vereins: Singen soll wieder ein Teil unseres Alltags werden – in der Familie, in der Clique oder einfach so, etwa peim Putzen, Duschen oder beim Warten im Stau.

Zu der ungewöhnlichen Initiative gehören neben Sängern und Musikern auch Ärzte wie der Regensburger Dr. Matthias Weikert, Facharzt für HNO-Krankheiten sowie Stimm- und Sprachstörungen bei Kindern (Phoniatrie/Pädaudiologie). Neben den üblichen Mitteln der Schulmedizin verordnet er seinen kleinen Patienten auch schon mal eine Sing-Therapie im Rahmen der logopädischen Behandlung: Einfache Kinderlieder bringen z.B. sehr viel, wenn ein Kind sich mit dem Sprechenlernen schwer tut, hat der Mediziner festgestellt. Hartnäckige Heiserkeit bei Kindern ist nach Weikerts Erfahrung manchmal kein Erkältungssymptom, sondern Anzeichen einer Stimmstörung. Sie kann sich deutlich bessern, wenn das Kind in einem Chor mitmacht oder, noch besser, in der Familie oder im Freundeskreis öfter mal gesungen wird.

Denn auch Erwachsenen tut das Singen rundum gut. In einer Untersuchung an Studenten der Universität Münster hat Karl Adamek herausgefunden: Diejenigen, die regelmäßig singen – egal ob Pop-Songs oder Kirchenlieder –, sind im Vergleich zu anderen ausgeglichener und selbstbewusster; sie können Stress und Angst besser bewältigen. Die Erklärung für dieses Phänomen: Beim Singen atmen wir unwillkürlich tiefer. So wird der Organismus mit zusätzlichem Sauerstroff versorgt, wir fühlen uns frischer, kommen gleichzeitig aber auch zur Ruhe. Diese ausgleichende Wirkung wird durch das Spüren der eigenen Stimme noch verstärkt.

Schulkinder können sich im Unterricht besser konzentrieren, wenn zwischendurch mal gesungen wird. Das belegt z.B. eine Schweizer Studie: Dort bekamen 50 Klassen über mehrere Jahre wöchentlich fünf (statt bisher zwei) Stunden Musik; dafür wurde bei den Hauptfächern eine Wochenstunde gekürzt. Das Ergebnis: Im Mathematik- oder Sprachenunterricht fielen die Leistungen nicht ab; die Stimmung in den Klassen und der Umgang der Kinder miteinander waren deutlich besser als in anderen Schulen.

Bei uns sind die Generationen seit Mitte der sechziger Jahre praktisch ohne Gesang aufgewachsen, sagt Karl Adamek. Il canto del mondo will helfen, Versäumtes nachzuholen. In den Canto-Gruppen, die nach und nach entstehen, kann jeder seine Stimme in improvisierten Tonfolgen erproben und Lieder aus verschiedenen Kulturen kennen lernen. Weitere Projekte sollen folgen. Bei uns ist Mitmachen und Selber-Gestalten gefragt, sagt Adamek. Wir sind kein kommerzieller Anbieter, sondern eine Art Bürgerbewegung.

Das Engagement der Sing-Initiative scheint erste Früchte zu tragen. Am Kultusministerium von Baden-Württemberg wurde jetzt das Bündnis für das Singen mit Kindern gegründet. Geplant ist unter anderem ein Pilotprojekt mit intensivem Sing- und Musikunterricht an Kindergärten und Schulen.

Quelle: Brigitte

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